SUDAN - Update 25.02.2024
 
Sudan-Krieg: Tausende tot, 17 Millionen hungern

Im Sudan sind seit Kriegsausbruch mehr Zivilisten gestorben als in der Ukraine, es herrscht die totale Anarchie. Doch die Weltgemeinschaft schließt ihre Augen vor der grausamen Lage.
Es ist nun fast ein Jahr her, seit der Bürgerkrieg im Sudan gewaltsam eskaliert ist. Doch mittlerweile gibt es dort bereits mehr zivile Tote als in der Ukraine in zwei Jahren Krieg. Schätzungsweise 12.000 Menschen starben im Sudan-Krieg in nicht einmal zehn Monaten. Der UN-Chef für humanitäre Hilfe und Nothilfe, Martin Griffiths, bezeichnete den Sudan vor kurzem als "einer der schlimmsten humanitären Albträume in der jüngeren Geschichte".

Was am 15. April 2023 mit einem Feuergefecht zwischen Regierungstruppen und Rebellen in der Hauptstadt Khartoum begann, breitete sich schnell auf das ganze Land aus, das fünfmal so groß ist wie Deutschland ist. Seitdem kämpfen die Armee (SAF) unter Oberbefehlshaber Abdel Fattah Al-Burhan und die abtrünnige Schnelle Unterstützungstruppe (RSF) mit ihrem Anführer General Mohamed Hamdan Dagalom, Spitzname "Hametti", um die Vorherrschaft. Auch im westlichen Darfur oder im südlichen Kordofan, wo es bereits in der Vergangenheit ethnische Konflikte gegeben hat, brach die Gewalt wieder aus.

An Initiativen, die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch zu bekommen, mangelt es nicht. Rebellenführer Hametti jettet regelmäßig in der Region umher, um benachbarte Staats- und Regierungschefs zu treffen. Bislang aber alles vergeblich: Zunächst scheiterten im Oktober Verhandlungsversuche unter der Leitung der USA und Saudi- Arabien in der Wüstenstadt Dschiddah. Ein weiterer Vermittlungsversuch von Ugandas Präsident Yoweri Museveni scheiterte ebenfalls.

Stattdessen ist fast das ganze Land in einen grausamen Bürgerkrieg versunken. Anfang Februar warnten Hilfswerke, darunter Ärzte ohne Grenzen, dass das Land in eine Hungerkatastrophe abdriftet, wenn es nicht schnell eine Kehrtwende gibt. Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (UN) sind derzeit 17 Millionen Menschen im Sudan akut von Hunger betroffen. Jeder dritte Sudanese weiß morgens nicht, ob er etwas zu essen findet. "Alle zwei Stunden stirbt ein Kind an Hunger", berichtet die internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen aus dem Vertriebenenlager im Norden Darfurs Mitte Februar.

Laut Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind mittlerweile fast acht Millionen Menschen landesweit auf der Flucht, viele wurden sogar mehrfach vertrieben, als sich die Kämpfe ausweiteten. Ein überwiegender Großteil sind Frauen, Alte und vor allem Kinder. Es werden täglich mehr und die Lage in den Vertriebenenlagern immer dramatischer: Die staatliche Verwaltung ist weitgehend zusammengebrochen: das Gesundheitssystem, das Bildungssystem, denn die meisten Schulen des Landes sind nun Unterkünfte für die Millionen Vertriebenen. Es gibt kaum mehr Benzin, was sämtlichen Transport - auch der von Nahrungsmitteln - unmöglich macht.

Es ist eine Katastrophe für den Sudan: Insgesamt benötigen derzeit fast 25 Millionen Menschen im Sudan humanitäre Hilfe, so die UN. Doch aufgrund der andauernden Kämpfe können Hilfsorganisationen nicht alle Gebiete erreichen. Derzeit werden gerade einmal rund 15 Millionen Menschen versorgt. Als Folge suchen mittlerweile rund 1,6 Millionen Sudanesen Schutz in den Nachbarländern, die meisten davon im Tschad und Ägypten, aber auch zunehmend im Südsudan, der Zentralafrikanischen Republik und Äthiopien, wo überall ebenfalls Konflikte toben und die dortigen Hilfswerke bereits überlastet sind.

Auch im benachbarten Südsudan ist die Sicherheitslage extrem instabil, immer wieder kommt es zu örtlichen Konflikten. Dort sind im Rahmen einer UN-Mission auch Bundeswehrsoldaten stationiert. Das Land wird weiter dadurch destabilisiert, dass Hunderttausende, die zuvor in den Sudan geflüchtet waren, zurückgekehrt sind. Die Situation in den Flüchtlingslagern dort ist ebenfalls katastrophal.

Um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen, stattete im Februar der Hohe Flüchtlingskommissar des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Filippo Grandi, als einer der wenigen internationalen Diplomaten dem Sudan einen Besuch ab. Er besuchte verschiedenen Vertriebenenlager im Osten und Süden des Landes. "Unzählige Schrecken, Gewalt und Angst", so Grandi, hätten die Menschen erlebt. "Niemand bleibt verschont", kommt er zum Schluss.

Insgesamt, so UNHCR, werden für das Jahr 2024 mehr als vier Milliarden US-Dollar benötigt, um mehr als 17 Millionen Menschen zu versorgen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes. Doch nicht einmal die Hälfte des Geldes wurde bislang von der Internationalen Gemeinschaft in Aussicht gestellt.

Gründe dafür liegen auf der Hand: Der Krieg im Sudan geht im weltweiten Trubel der Konflikte in den internationalen Medienaufmerksamkeit unter oder wird überlagert von der Berichterstattung aus der Ukraine sowie aus Gaza. Hinzu kommt "die problematische Lage der Menschenrechtsaktivisten und Journalisten im Sudan", so der bekannte sudanesische Journalist Faisal Elbagir. Er ist auch Mitbegründer zahlreicher Menschenrechtsorganisationen und -netzwerke im Sudan.

Wie viele seiner Kollegen musste auch er kurz nach Kriegsausbruch fliehen und lebt jetzt im Exil in Kenia. Dort ist er nun als Doktorand an der Fakultät für Journalismus und Massenmedienwissenschaft an der Universität Nairobi tätig. Zusätzlich zu den Kämpfen, die auf dem Schlachtfeld stattfinden, so Elbagir, finde in den Medien ein weiterer Krieg statt: Fake News, Desinformationen und Kriegspropaganda "beherrschen dort das Spiel", sagt er: "Journalisten und Medienschaffende stehen vor großen Schwierigkeiten, die Wahrheit zu berichten." Sie riskieren sogar ihr Leben, erklärt er, "da die beiden Kriegsparteien zunehmend Medienschaffende ins Visier nehmen, sie bedrohen und mundtot machen".

Als Folge hätten die meisten sudanesischen Journalisten das Land verlassen, denn das Arbeiten war fast unmöglich. Die bewaffneten Verbände hatten bereits zu Beginn des Krieges gezielt Telefon- und Strommasten zerstört. Seit fast einem Jahr herrscht fast der völlige Blackout, weil das Internet nicht funktioniert. Damit schaffen es aber auch keine Bilder und Schlagzeilen in die internationalen Medien. Hunger, Gewalt und Tod im Sudan bleiben weitgehend unbemerkt. Eine Änderung ist nicht in Sicht.

Quelle: ntv.de